Hommage á Jules Richard / A Tribute to Jules Richard

English below

Unser Museum trägt den Namen Jules Richard weil er als der bedeutendste Erfinder in der Stereofotografie bezeichnet werden kann. Er schuf nicht nur kleinere Formate in der Darstellungstechnik und einfachere Kamerasysteme, sondern auch die passenden Betrachter und flexibel zu bedienende Stereoautomaten. Außerdem  liebte er die Erstellung von Aktfotografien in 3D-Technik und baute dafür an seiner Pariser Villa ein eigenes Studio im römischen Stil, das er auch anderen Aktfotografen zur Verfügung stellte.

Jules Richard wurde am 19. Dezember 1848 geboren und absolvierte ab 1863 eine dreijährige Ausbildung als Uhrmacher bei Herrn Collina. Nach 1866 wurde er ein Techniker in der Verwaltung der Telegrafennetze. Im Jahre 1871 wechselte er in den Betrieb seines Vater und arbeitete mit seinem Bruder in der Produktion von Fotokameras und wissenschaftlichen Präzisions-Instrumenten. Ein im Jahre 1880 patentierte Barograph (Barograph ist ein registrierendes Barometer = Luftdruckschreiber zur Aufzeichnung des zeitlichen Luftdruckverlaufs am Beobachtungsort) wurde ein ganz großer kommerzieller Erfolg.

Im Jahr 1882 wurde er Präsident der Société Richard Frères (Gesellschaft der Gebrüder Richard), die im Jahr 1891 in die Société Jules Richard umbenannt wurde.

Im Jahr 1893 patentierte er eine neue Ganzmetall-Stereokamera die „Vérascope“. Bis dahin war die stereoskopische Kamera mit ihrem Holzgehäuse, dem Lederbalgen und den beiden großen Optiken schwer und auch schwierig zu handhaben. Richard entwickelte ein neues Format mit den Bildmaßen 45 x 107 mm, das eine Menge Gewicht für diese handlichen Kameras einsparte und quasi eine Kamera für die breite Masse wurde.

Diese patentierte Kamera ist eine Stereokameras für Einzelaufnahmen oder mit einer Wechselkassette inkl. einem Zählwerk für 12 Platten im Format von 45 x 107 mm und hat eine Objektivbasis von 63 mm. Sie besitzt einen Guillotine-Verschluss und durchgehend verstellbare Verschlusszeiten von 1/9 bis 1/150 Sekunde, drei Blenden: 4,5 – 8 – 16 und eine Entfernungsein-stellung von 1,5 m bis unendlich. Es gibt einen Spiegelreflexsucher und einen Newtonsucher mit Visier. Außerdem sind 2 Wasserwaagen integriert und eine Stativbefestigung mittels konischem Loch. Dazu entwickelte er zugleich den passenden zusammenfaltbaren Stereobildbetrachter. Kamera und Betrachter wurden aus Messing gefertigt.

Diese Erfindung kam zur rechten Zeit auf den Markt und hatte großen Erfolg. Es wird gesagt, dass die Auswirkungen der neuen Stereokamera des Jules Richard fast die gleiche hohe Auswirkungen lieferten wie später die Filmweiterentwicklungen der Firma Kodak George Eastman. Das neue Format wurde schnell beliebt, vor allem, weil das Unternehmen den Kunden auch verschiedene Erweiterungen, wie Zeitschaltuhren und Wechselmagazine, aber auch Fotomaterialien, wie stereoskopische Trockenplatten, Folien und weiteres Zubehör aus eigener Produktion lieferte. Kurz gesagt, alles, was die Benutzer benötigten, um jeden Wunsch der Stereofotografie-Enthusiasten zu erfüllen, wurde von Richard angeboten.

Neben der Vérascope Kamera mit der Version des Stereoformates in der Größe 45 x 107 mm hat er später auch Kameras hergestellt in den Formaten 6 x 13 cm und später 7 x 13 cm. Von der „Verascope“ in den Formaten 4,5 x 10,7,   6 x 13 und 7 x 13 cm wurden insgesamt 78 Modell-Varianten mit sieben verschiedenen Wechselkassetten und 4 verschiedenen Rollfilmmaga-zinen hergestellt. Er schuf aber auch weitere Modellreihen wie die GLYPHOSCOPE. Nach Abnahme des Optikteils konnte diese Kamera zugleich auch als Betrachter für die fertigen Stereobilder genutzt werden.

Seit dem Ende der zwanziger Jahre des 20. Jahrhundert kamen dann auch Kleinbildkameras dazu wie die Verascope F40, die Homeos im Format 24 x 18 mm und Le Sterea, eine Kamera gefertigt aus Aluminium. Für jedes seiner Stereoformate entwickelte er zugleich die jeweils passenden Betrachter in Holz und in Metall mit jeweils hervorragenden Optiken.

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte er auch Stereobetrachtungsautomaten wie z. B.:

TAXIPHOTE,

einen Stereobetrachter aus Eichenholz, zur serienweise halbautomatischen Betrachtung von Stereo-Glasdiapositiven im Format 7,5 x 17 cm. Die Okulare haben achromatische Linsen und sind mittels Zahntrieb fokussierbar. Der Augenabstand ist verstellbar. Das Bildermagazin ist für 25 Stereo-Glasdias. Die Bilder können nacheinander in beliebiger Reihenfolge vorgeführt werden. Das einfallende Licht wird von der Mattscheibe gleichmäßig verteilt. Das Gerät ist mit einem Zählwerk ausgestattet. Hergestellt wurde es ab 1903 von Jules Richard, Paris.

TAXIPHOTE STANDARD, 

Stereobetrachter in Mahagoni, zugleich Aufbewahrungskasten für 12 Magazine, zur serienweise, halbautomatischen Betrachtung von Stereo-Glasdiapositiven im Format 4,5 x 10,7 cm. Die Okulare haben achromatische Linsen und sind mittels Zahntrieb fokussierbar. Der Augenabstand ist verstellbar. Das Bildermagazin fasst 25 Stereo-Glasdias. Die Bilder können nacheinander in beliebiger Reihenfolge vorgeführt werden. Das einfallende Licht wird von der Mattscheibe gleichmäßig verteilt. Das Gerät ist mit einem Zählwerk und einer einschwenkbaren Spiegellupe zum Lesen von Beschriftungen auf den Dias ausgestattet. Hergestellt wurde es um 1905 von Jules Richard, Paris.

Jules Richard arbeitete auch als Fotograf

Jules Richard hatte aber nicht nur Kenntnisse über die Stereofotografie wie kaum ein anderer, er selbst nutzte diese auch als ein begeisterter Fotograf. Es gibt von ihm eine große Menge von stereoskopischen Platten, die er auf den Schlachtfeldern und in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs aufgenommen hat oder auch auf sein Fernreisen in Afrika und Asien. Vor allen Dingen war er ein begeisterter Akt-Fotograf. Um dieser Leidenschaft besser frönen zu können erbaute er in seiner Villa in Paris ein Atrium im römischen Stil mit kleinem Wasserbecken im Innenbereich, kunstvollen Säulen und der Antike nachempfundenen Möbeln. Im Gartenbereich gab es  gestaltete Außenmauern und Treppenanlagen und ein weiteres kleines Wasserbecken. Im Atrium und im Garten wurden unzählige, sehr ästhetische und gut komponierte Aktfotos in den Jahren 1905 bis ca.1920 aufgenommen. Er fotografierte nicht nur einzelne Modelle, sondern oft auch Gruppen von drei oder vier Modellen. Aktaufnahmen sind von ihm offensichtlich auch schon vorher an verschiedenen Orten aufgenommen worden: in Chantemerle im Theater,  im Cabaret Tabarin und in der freien Natur an Flüssen, an Seelandschaften und in den Wäldern. Chantemerle in der Nähe von Aix-les-Bains war seine erste Unterkunft, das Atrium war ein angebautes Studio an Richards Stadthaus in Paris im antiken Stil, dies allein gab schon seinen Stereoakten den Raum für eine künstlerische Akzeptanz der aufgenommenen Bilder. Die Bilder aus dem Cabaret Tabarin, etwa in der Mitte des Montmartre, entstammen meist aus dem Jahr 1920. In seinem Atelier haben aber auch andere Fotografen für ihn und auch für eigene Verkaufsserien gearbeitet wie Achilles Lemoine und Jean Angelou. Volle Nacktheit in dieser Zeit war sicherlich nicht allgemein akzeptiert, aber die Atmosphäre der griechischen und römischen Mythologie auf diesen Aufnahmen war seine Methode, um in jener Zeit die Kritik an nicht akzeptablen Nacktstudien zu stoppen.

Um seine Aufnahmen besser vermarkten zu können erfand er „Kopierrahmen“ um Stereos vom Negativ in ein Positiv umwandeln zu können und den „Verascope Inverseur“. Es ist ein Gerät zur halbautomatischen Umwandlung von 4,5 x 10,7 cm bzw. auch 6 x 13 cm Negativplatten in Diapositivglasplatten, anfangs mit Hilfe einer Petroleumlampe und später mit einer 25 Watt Lampe an 115 Volt. Er produzierte diese Geräte ebenfalls in seiner Fabrik „Richard Fréres, Paris“. Zur Kontrolle der Belichtungszeit war eine Uhr eingebaut, in der Schublade darunter lagerten die unbelichteten Diapositivplatten. Der engagierte Sammler seiner Aktstereofotografien wird sehr schnell merken, das er seine Negative teilweise mehrmals – gut nachgefragte Motive auch oftmals – unter verschiedenen Bildnummern zum Verkauf angeboten hat.

Im Jahre 1923 gründete Jules Richard nach einer Vereinbarung mit der Stadt Paris eine Schule und eine Stiftung, die noch heute seinen Namen tragen,  „Lycée privé technologique Jules Richard“, diese war privat, universell in der Ausbildung ausgerichtet und kostenlos für alle Schüler.

Jules Richard starb am 18. Juni 1930.

English

A Tribute to Jules Richard
Our museum is named after Jules Richard because he can be described as the most relevant inventor
of stereo photography. Not only did he create small formats within the portrayal technique and easier
camera systems but he also invented the appropriate viewers and flexibly operated stereo machines.
In addition to this he loved creating nude photographs in 3D technique and he even built his own
studio for this in his parisian villa in roman style that he made available for other nude image
photographers.

Jules Richard was born on the 19th of December 1848 and from the year 1863 onwards he completed
a 3 year watchmaker apprenticeship with Mr Collina. After the year 1866 he became a technician
within administration of telegraph networks. During the year 1871 he changed over to his fathers
business and worked with his brother producing photo cameras and scientific precision instruments.
A barograph (a barograph is a registering barometer = a barometric pressure recorder that records
chronological sequences of pressure distribution at the observation place) that was patented in 1880
became a great commercial success.

In 1882 he became president of the Société Richard Frères (Associates of the brothers Richard) which
was renamed Société Jules Richard in 1891.

In 1893 he patented a new all-metal stereographic camera named “Vérascope“. Up until then the
stereo camera with its wooden case, the leather bellows and both large lenses was heavy and difficult
to manage. Richard developed a new format with the picture measuring 45 x 107 mm which made
these handy cameras weigh a lot less and they more or less became a camera for everyone.
This patented camera is a stereo camera for individual shots or with an interchangeable cassette
including a counter mechanism for 12 plates of 45 x 107 mm format and it has a lens basis of 63 mm.
The camera has a guillotine shutter and continuously adjustable shutter speeds of 1/9 to 1/150
seconds, three apertures: 4,5 – 8 – 16 and a distance setting of 1,5 m to infinity. It has a mirror reflex
viewfinder and a Newton viewfinder with a visor. In addition to this there are 2 integrated spirit levels
and a tripod mount using a conical hole. To add to that he developed the matching collapsible stereo
image viewer at the same time. The camera and the viewer were made of brass.

This invention was marketed at the right time and it was very sucessful. It is said that the impact of
Jules Richard’s new stereo camera had nearly the same large impact as did the later film
developments of the company Kodak George Eastman. The new format quickly became popular,
especially because the company also delivered various accessories such as automatic timers and
removable magazines and also photo materials such as stereoscopic dry plates, foils and further
accessories from their own production to their customers. In short everything that was needed in
order to fulfil every wish of stereo photography enthusiasts was provided by Richard.

In addition to the Vérascope Camera with the stereo format version with the size 45 x 107 mm he
later also developed cameras with the formats 6 x 13 cm and later 7 x 13 cm. In total 78 model
variants of the “Verascope” with the formats 4,5 x 10,7, 6 x 13 and 7 x13 cm were produced with 7
different interchangeable cassettes and 4 different roll film magazines. He also developed further
model series such as the GLYPHOSCOPE. After taking off the optical component this camera could
simultaneously be used as a viewer for the finished stereo pictures.

Since the end of the 1920s 35 mm cameras were added such as the Verascope F40, the Homeos with
the formats 24 x 18 mm and the Le Sterea, a camera made of aluminium. Along with all his stereo
formats he developed the individually fitting viewers in wood and metal with respectively excellent
optics.

At the beginning of the 20th century he also developed stereo viewers such as for example the
TAXIPHOTE,
a stereo tabletop viewer made of oak for serial semi automatic viewing of glass stereo
slides of the format 7,5 x 17 cm. The oculars have achromatic lenses and they are focusable by means
of a sprocket drive. The eye distance is adjustable. The picture magazine holds 25 glass stereo slides.
The pictures can be shown one after the other in optional order. The incoming light is distributed
equally by the ground glass. The device is equipped with a counter mechanism. It was produced from
1903 onwards by Jules Richard, Paris.
TAXIPHOTE STANDARD,
Stereo viewers made of mahogany, simultaneously a storage box for 12 magazines, in series, semi
automatic viewing of glass stereo slides of the format 4,5 x 10,7 cm. The oculars have achromatic
lenses and they are focusable by means of a sprocket drive. The eye distance is adjustable. The
picture magazine holds 25 glass stereo slides. The pictures can be shown one after the other in
optional order. The incoming light is distributed equally by the ground glass. The device is equipped
with a counter mechanism and a swivel reflector loupe that enables reading labels on the slides. It
was produced around 1905 by Jules Richard, Paris.

Jules Richard also worked as a photographer
Jules Richard not only possessed knowledge of stereo photography like no other he also used this
knowledge for himself as an enthusiastic photographer. A large number of stereo plates exist that he
took on the battlefields and in the trenches of the first world war and on his travels in Africa and Asia.
Above all he was an enthusiastic photographer of nude images. In order to indulge this passion
further he built an atrium in roman style in his villa in Paris with a small water feature in the inner
part, artistic pillars and antique furniture replicas. In the garden he had outer walls, staircases and
another water feature designed. Many very aesthetic and well composed nude photos were taken in
the atrium and in the gardens in the years 1905 until approximately 1920. Not only did he photograph
individual models but he often also photographed groups of three or four models. He had clearly
photographed nude images beforehand in various locations: in the theatre in Chantemerle, in the
cabaret in Tabarin and in nature at rivers, lakes and in forests. Chantemerle near Aix-les-Bains was his
first accommodation, the atrium was an antique styled studio that was added to his townhouse in
Paris, which in itself gave his stereo images a location for an artistic acceptance of the taken images.
The pictures from Cabaret Tabarin, located approximately in the middle of Montmate, are mostly
from the year 1920. His studio was also used by other photographers who worked for him but also for
their own sales series such as Achilles Lemoine and Jean Angelou. Full nudity was certainly not
generally accepted in these times but the atmosphere of Greek and Roman mythology in these shots
was his method to stop any critique of non acceptance of nude images at the time.

In order to improve the marketing of his images he invented “copy frames” to change stereos from
negative to positive and the “Verascope Inverseur”. This is a device for the semi automatic conversion
of 4,5 x 10,7 cm as well as 6 x 13 cm negative plates to slide glass plates, to begin with by means of a
petroleum lamp and later with a 25 watt lamp at 115 volt. He also produced these devices in his
company “Richard Frères, Paris“. In order to control the exposure time a clock was built in and in the
drawer below the unexposed slide plates were stored. A more committed collector of his nude
photographs will quickly recognise that he offered his negatives for sale, some several times – highly
in demand ones also many times – under different image numbers.

In 1923 Jules Richard founded a school and a foundation in accordance with the town of Paris that
still to this day carries his name “Lycée privé technologique Jules Richard“ which was a private school,
universal in its education and free for all students.

Jules Richard died on the 18th of June 1930.